„Bin in Sydney, hoffe, ihr kriegt die Nachricht, ist echt hart, niemand versteht mich :-(“
Rums! Dieser Einzeiler hat gesessen. Erleichtert und besorgt zugleich, da blutet das Mutterherz und das schlechte Gewissen fängt an mich zu plagen, denn ich habe die Idee, dass Vincent eine Auszeit innerhalb seiner Ausbildung nimmt, und für 11 Monate nach Australien geht, von Anfang an unterstützt. Vielleicht waren es nur meine eigenen unerfüllten Reiseträume, die mich dazu bewogen haben, meinen 19 Jahre alten Legastheniker einfach ziehen zu lassen. Zweifellos ist er ein aufgeweckter Junge, ja klar, doch Englisch kann er nicht! Gar nicht! Wie auch? Kämpft er doch seit Schulbeginn mit seiner eigenen Muttersprache und erst dann, welch Überraschung. Als die Fremdsprache hinzukam, eine Katastrophe! Aber man verdrängt es nur leider gern und schnell, wenn er mich und seinen Vater bei Diskussionen am Küchentisch an die Wand redet, wenn er charmant und eloquent Gedichte rezitiert, dann genieße ich diese Momente und bin einfach nur eine stolze Mutter. Dann sind sie alle weg, die vielen traurigen Momente, die vielen Schuljahre voller Demütigungen durch Lehrer, voller Enttäuschungen!
Der Kampf, den wir führen, seit unser Sohn die erste Bekanntschaft mit der Welt der Buchstaben und der Schrift machte. Bisher konnte ich immer viel auffangen und für ihn regeln, aber dieses Abenteuer, diese Reise ans andere Ende der Welt, ist für uns alle wie ein Sprung ins eiskalte Wasser. Nur mit den Füßen drin, denk man, gar nicht so schlimm, doch nach dem Kopfsprung hat man das Gefühl von tausend Nadelstichen getroffen worden zu sein und dass es einem gleich die Haut vom Kopf zieht. Beim Auftauchen bleibt dann die Luft weg und man will nur eins, schnell hier raus! Trotzdem möchte ich daran glauben, dass es eine Chance für ihn ist. Es ist eine vage Hoffnung, dass dieses fremde Land, dieser fremde Kontinent, diese fremden Menschen, ihm das ermöglichen, was ein halbes Dutzend Lehrer in vielen Jahren Schule nicht fertigbrachten, ihm zu ermöglichen, Englisch zu sprechen und zu verstehen! Wir werden sehen, was passiert? Sein Rückflugticket hat er in der Tasche, doch ich hoffe und wünsche es mir für ihn, dass er es erst in 11 Monaten brauchen wird und jetzt die schönste Zeit in seinem Leben bevorsteht.
Viel Glück Vincent! :-))