Mit unserer Reise quer durch den Süd-Westen der USA betraten wir fahrtechnisch Neuland. Wir mieteten uns einen Camper, kurz einen RV (Recreational vehicle). So werden diese Fahrzeuge in den USA genannt. Ein für unsere Verhältnisse richtig „Dickes Ding“ mit 19 Fuß Länge. OK, ein 19 Fuß RV (rund 5,8 m) ist für amerikanische Verhältnisse recht bescheiden und ich bin mir sicher, dass die Toiletten mancher Riesen-RVs fast schon diese Größe erreichen. Für uns, die wir normalerweise mit unserem Defender 110 unterwegs sind, war das Teil aber schon echt mächtig. Und wenn es dann schon ein Leihfahrzeug sein soll, dann fahren wir in der Regel kleinere Sachen. In Australien waren es vorzugsweise Geländewagen oder Kleinbusse. Manchmal leihen wir uns vor Ort winzige Fahrzeuge in Go-Kart-Format aus oder wir düsen mit Mopeds durch die engen Gassen kleiner verträumter Dörfer. Am liebsten reisen wir jedoch mit unserem Landy. Wir lieben unseren „Dicken“, wie wir ihn liebevoll nennen und er mag uns hoffentlich auch.
Für die USA Reise entschieden wir uns dennoch für ein Wohnmobil der Firma Roadbear. Die Kosten für den Transport des eigenen Fahrzeugs wäre für die relativ kurze Zeit einfach zu hoch gewesen. Außerdem werden wir auch nicht jünger und schätzen ab und zu auch ein bisschen mehr Komfort. Im Nachhinein war es auch die richtige Entscheidung, aber so wirklich warm wurden wir mit dieser fahrenden „Schrankwand“ nie. Eventuell sind wir einfach doch noch nicht alt genug. Kurz gesagt: Wir liebten und wir hassten das Riesending. Am Tage hassten wir ihn oft, wenn wir gezwungen waren, immer auf den asphaltierten Straßen zu fahren. Am Abend jedoch, wenn es ins Heiabettchen ging, da war das Teil einfach super.
Was das Fahren angeht, war die Größe so eines RV kein Thema. Man muss sich natürlich erst einmal an die ungewohnten Ausmaße gewöhnen, doch geht das recht schnell. Einmal unterschätze ich die Breite etwas „hüstel“, was eine kleine Kollision mit dem Außenspiegel eines parkenden Autos zur Folge hatte. War aber am Ende alles halb so schlimm. Ansonsten ist so eine Kiste das wohl Langweiligste, was ich jemals fuhr. Automatik, Tempomat, weiche Sitze, einfach langweilig und irgendwie nervtötend. Das Schlimmste war jedoch der Hecküberstand. Die 19 Fuss-Version hat zwar nur knapp 2 Meter, aber die nerven. Bei jeder Ein- oder Ausfahrt muss man sich äußerst behutsam anpirschen, damit das Heck nicht Funken sprüht. Jeder RV hat zwar extra Metallschienen unter dem Heck verbaut (die wissen schon, warum), die wie eine Art Schlitten fungieren, jedoch möchte und sollte man diese nicht benutzen. Kann sein, dass manch ein Fahrer völlig unverkrampft und bewusst diese Metallschienen austestet und Funken schlagend in jede Einfahrt prescht – mir widerstrebt so ein Metallabrieb. Nö, so was mache ich nicht, auch nicht bei einem Leihfahrzeug!
Wie schön sind dagegen die Fahrten mit unserem Land Rover Defender. Nie wird es langweilig und selten muss man sich Gedanken machen, ob man durch oder darüber kommt (above and beyond). Er bringt seine Insassen an Orte, die sonst nur zu Fuß oder mithilfe von Huftieren erreichbar sind und zum Glück auch wieder zurück.
Viele Regionen im Süd-Westen der USA sind Offroad-Strecken vom Feinsten und unser Landy stand in der heimischen Garage (so ein Mist!). Links und rechts gingen fantastische Offroad-Strecken ab und wir durften und konnten die Asphaltstraße nicht verlassen. Solche Augenblicke waren es, wo wir unseren Landy am meisten vermissten. Was hätten wir noch alles erleben und sehen können, wenn wir nicht mit dieser blöden „Schrankwand“ unterwegs gewesen wären? Das nächste Mal kommt unser „Dicker“ mit ins Handgepäck!
So eine Schrankwand hat natürlich auch ihre Vorteile. Die oft nervtötende Suche nach einer Toilette – fällt weg. Duschen? Kein Problem. Noch nie haben wir im Urlaub so gut gerochen. Schlafen? Wie ein Baby. Draußen kalt? Uns egal. Standheizung! Platz? Mehr als nötig. Als Jungspund ist man da noch flexibler, oder man weiß es einfach nicht besser. Da kriecht man bei Wind und Dreckswetter in sein Minizelt, macht sich eine Hundefutter ähnliche Substanz auf dem Esprit-Kocher handwarm und duscht, wann es halt geht und nicht, weil es der Anstand verlangt. An Bequemlichkeit gewöhnt man sich jedoch recht schnell und mag diesen Luxus (selbst in so einer überschaubaren Form) nicht mehr missen. Jedoch verhält es sich beim Camping, wie beim Immobilienkauf. Was wirklich zählt, ist die Lage, Lage und nochmals die Lage.
Und da sind Geländewagenfahrer etwas verwöhnt. Selbstverständlich kann man mit einem 4×4 auch auf reguläre Campingplätze übernachten und wir haben damit auch kein Problem. Jedoch muss man es nicht. Fernab der Straße findet man oft ungestörte und wunderschöne Stellen zum Stehenbleiben. Man muss nur die Stille ertragen können. Vorne Natur, hinten Natur und seitlich, ja genau, Natur. Keiner nervt, quatscht doof herum oder lässt die halbe Nacht seinen Generator laufen, weil er unbedingt noch Netzstrom für die Mikrowelle braucht. Oh, wie ich diese Leute verabscheue! Der Nachteil: Kein großer Luxus im kulturvölkischem Sinne, jedoch ein Fest der Eindrücke. Man kalibriert sich neu.
Viele Menschen können mit so etwas nicht umgehen. Keine Möglichkeit seine aktuelle Stimmungslage mithilfe von unzähligen Emoticons auf Facebook mit völlig unbekannten besten Freunden zu teilen. Man muss analog kommunizieren, oder einfach mal staunend die Fresse halten.